Schreibtipps-to-go: Aktiv statt passiv schreiben

Die Spannung in einem Roman entsteht durch lebendige Figuren, Konflikte, überraschende Entwicklungen, Wendungen und eine aktive Sprache, die die Handlung und die Charaktere vorantreibt. Eine gute Geschichte benötigt Bewegung.

2.1 Dynamische versus statische Verben

Eine aktive Sprache zeichnet sich durch dynamische (aktive), präzise Verben aus, die dem inneren Auge des Lesers eine Aktion zeigen. Dynamische Verben sind Tätigkeitswörter, die eine Aktion oder einen Prozess ausdrücken. Sie beleben den Text, treiben die Handlung voran und erzeugen Kopfkino.

Statische Verben drücken keine Aktion, sondern einen Zustand aus. Diese Tätigkeitswörter sind Stacheln, die sich im Text verhaken und die Handlung daran hindern, zügig voranzukommen. Sind sie zudem unpräzise, wird die Lesereise schmerzhaft und farblos. Statische Verben lassen sich nicht immer vermeiden, aber vor allem spannende Szenen leben von dynamische Verben.

Beispiele

Statisch:
Der Kölner Rheinpark liegt am rechtsrheinischen Ufer.
Der 1. FC Köln hat im Februar 2025 seinen 77. Geburtstag.
Warum muss ich am Hauptbahnhof warten?

Dynamisch:
Der Kölner Rheinpark säumt das rechtsrheinische Ufer.
Der 1. FC Köln feiert im Februar 2025 seinen 77. Geburtstag.
Warum muss ich am Hauptbahnhof die Zeit totschlagen?

Beispiel für eine spannende Szene – mit statischen Verben und Substantivierungen:

Der Räuber lag im Gebüsch und wartete auf die Postkutsche. Endlich hörte er das
rhythmische Trommeln der Pferdehufe auf dem holprigen Weg, begleitet vom
leisen Knirschen der Räder. Dann mischten sich das Schnauben der Pferde und
das gelegentliche Quietschen des Kutschengestänges in die Geräuschkulisse.
(Anmerkung: Das Filterwort „hörte“ und das Füllwort „dann“ sollten ebenso wie
statische Verben und Substantivierungen vermieden werden.)

Besser – dynamische Verben, keine Substantivierungen, keine Filter- und Füllworter

Der Räuber lauerte im Gebüsch. Wann rollte die Postkutsche endlich heran?
Da! Pferdehufe trommelten auf dem holprigen Weg, Räder knirschten,
Kutschengestänge quietschte. Die Geräuschkulisse schwoll an,
das Blut rauschte in seinen Ohren. Er zerrte das Messer aus der Schneide und …

2.2 Hilfsverben – die Leselustkiller

Hilfsverben – „haben“, „sein“ und „werden“ – sind eine totsichere Methode, um die Handlung bzw. den Text auszubremsen. Wie der Name sagt, unterstützen Hilfsverben die Vollverben, um die richtige Zeitform zu bilden. Das konjungierte (gebeugte) Hilfsverb „haben“ hilft dabei, die Aussage „Sie tanzt gern.“ in die Vergangenheitsform (Perfekt) „Sie hat gern getanzt.“ zu bringen.

Ersetze möglichst viele Hilfsverben in deinem Manuskript, sofern sie nicht der Zeitenbildung dienen, durch dynamische Verben.

Beispiele:

Mit Hilfsverben:
Ben ist Eigentümer eines Appartements.
Er ist in Köln ansässig.
Der Kölner Dom ist eine gotische Dauerbaustelle.
Auf der Domplatte war eine große Menschenmenge.

Mit dynamischen Verben:
Ben besitzt ein Appartement.
Er wohnt in Köln.
Der Kölner Dom entpuppt sich als gotische Dauerbaustelle.
Auf der Domplatte drängten sich die Menschen.

2.3 Modalverben

Ebenso farblos und passiv wie die Hilfsverben sind die Modalverben: dürfen, können, lassen, mögen, müssen, sollen und wollen. Sie treten stets in Kombination mit einem Vollverb auf. Diese passiven Verben lassen sich nicht immer vermeiden, aber oft.

Beispiele:

Modalverben können Sätze verwässern.
Besser: Modalverben verwässern Texte häufig.

Modalverben können gestrichen werden, damit Sätze nicht umständlich sind.
Besser: Streiche Modalverben, um umständliche Sätze zu vermeiden.

„Wir müssen uns beeilen!“
Besser: „Los! Beeilen wir uns!“

2.4 Farblose, schwache Verben

Neben den Hilfs- und Modalverben gibt es Verben, die ebenfalls schwach sind und beim Leser keine Bilder erzeugen. Hierzu zählen machen, befindet sich, es gibt, stattfinden, sich ereignen, verwenden.

Das Verb „machen“ erweckt zwar den Anschein, dynamisch zu sein, ist aber sehr schwach. Oft kann „machen“ durch ein dynamisches Verb ersetzt werden.

Beispiele:

Er machte sich Gedanken.
Besser: Er zerbrach sich den Kopf. (Er grübelte.)
Er machte vor Angst in die Hose.
Besser: Er pinkelte vor Angst in die Hose.
Sie machte schnell ihre Hausaufgaben.
Besser: Sie riss die Hausaufgaben runter.
Das machte ihn nicht zu einem Ritter in glänzender Rüstung.
Besser: Das verwandelte ihn nicht in einen Ritter in glänzender Rüstung.
Auf der Domplatte befindet sich der Kölner Dom.
Besser: Auf der Domplatte ragt der Kölner Dom in den Himmel.

2.5 Vermeide Substantivierungen und Partizipien

Konstruktionen mit einem Übermaß an Substantiven (Nominalstil), Substantivierungen und Partizipien sind passiv. Sie bremsen die Handlung aus, schaffen Distanz zwischen Lesern, Figuren und Handlung.

Substantivierte Verben bedeuten, dass ein Substantiv statt eines Verbs verwendet wird.

Beispiel:

Die zärtliche Berührung seiner Lippen führte zu einer Reaktion ihres Körpers.

Das klingt nach Beamtendeutsch. Unsexy. Wenn wir die Substantive „Berührung“ und „Reaktion“ durch die entsprechenden Verben ersetzen, verbessert sich der Satz.

Seine Lippen berührten sie zärtlich, ihr Körper reagierte.

Schon besser. Durch zusätzliche dynamische Verben und Konkretisierung steigert sich die Sexiness der Zeile:

Seine Lippen berührten ihren Hals, erkundeten ihr Schlüsselbein und wanderten zu ihrem Dekolleté. Es kribbelte. In ihrem Bauch. An ihren Schenkeln. Überall. Ihre Knie wurden weich …

Partizipien

Partizipien werden aus Verben gebildet, aber wie Adjektive verwendet, z. B. singend tanzte er durchs Haus, laufend erreichte er den Eingang.

Beispiel

Passiv: Durch den Wald laufend war sie auf der Flucht vor den Vampiren.
Aktiv:    Sie rannte durch den Wald und flüchtete vor den Vampiren.

2.6 Nutze das Aktiv – vermeide das Passiv

In der deutschen Sprache gibt es zwei Möglichkeiten, um eine Handlung zu beschreiben. Aktiv und Passiv.

Aktivsatz: die Person oder die Sache steht im Fokus
Aktiv = Subjekt + Verb + Objekt
Beispiel: Paul jagte die Vampire.

Passivsatz: der Vorgang steht im Vordergrund
Passiv = Subjekt + werden/sein + Partizip Perfekt
Beispiel: Die Vampire wurden von Paul gejagt.

Das Passiv rückt die Betonung der Handlung auf die Vampire und den Vorgang der Jagd. „Von Paul“ (Protagonist) zeigt zwar, wer die Handlung ausführt. Diese Angabe könnte jedoch auch entfallen. Der Protagonist Paul ist unwichtig. Und welcher Autor möchte schon, dass sein Protagonist unwichtig wird?

Happy writing,
deine Charlotte