Inhalt: England, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg: Robert, 16 J., hat gerade die Schule beendet und soll wie alle Männer in seiner Familie Bergarbeiter werden. Doch bevor er sich in die unterirdische Enge begibt, möchte er einmal die Weite des Meeres sehen.

Auf seiner Wanderschaft begegnet er Dulcie, einer unkonventionellen, älteren Frau.  Sie lebt allein mit ihrem Schäferhund in einem heruntergekommenen Cottage und lädt Robert auf eine Tasse Tee ein. Aus dem Nachmittag wird ein längerer Aufenthalt. Robert hilft Dulcie bei Arbeiten rund um den Garten und bekommt dafür Kost und Logis. Durch die Gespräche mit Dulcie lernt er eine ihm vollkommen unbekannte Welt kennen und sein von den Eltern geprägter Blick auf das Leben ändert sich.

Als Robert eine Hecke stutzen will, um den Blick aufs Meer freizulegen, verbietet Dulcie das rigoros. Ebenso ablehnend reagiert sie auf ein Manuskript mit Gedichten, das Robert findet. Die Sammlung stammt von Romy Landau und ist Dulcie gewidmet, aber sie weigert sich, die Texte zu lesen. Warum?

Schreibstil: Ich-Erzähler, Präteritum (Präsens für Prolog und Ende) – lyrisch, bildhaft, opulent

Meine Meinung: Der lyrische Schreibstil passt perfekt zu dieser Geschichte. Schließlich findet Robert mit Hilfe von Dulcie den Weg zur Lyrik. (Anm.: Die Dichterin Romy Landau war eine deutsche Exildichterin. Ihr Manuskript „The Offing“, nach dem dieser Roman benannt ist, erschien posthum.) Dank rhetorischer Stilmittel, wie Metaphern, Vergleiche u. a., lässt der Autor Dulcies Cottage, Garten sowie die Küste auf einer imaginären Leinwand entstehen und legt den Geschmack ihrer Speisen auf die Zungen der Leserschaft. Adjektive werden sehr großzügig verwendet, passen aber wundervoll zur Geschichte.

Mit Dulcie hat der Autor eine unvergessliche Protagonistin geschaffen: unverheiratet, alleinlebend, unkonventionell, mit sehr klaren unüblichen Ansichten zu Ehe, Familie und Religion – nicht nur für die damalige Zeit.

Die Dramaturgie mit Charakterentwicklung, Midpoint-Twist und vielen Überraschungen im letzten Viertel ist einfach perfekt.

Fazit: Ein Coming-of-Age-Roman der Meisterklasse – Eine Hommage an die Lyrik und an die Bedeutung menschlicher Beziehungen.

Empfehlung: Eine Geschichte für LeserInnen, die Coming-of-Age-Romane lieben.

Herausgeber: ‎DuMont Buchverlag, 270 Seiten, 20,- Euro (gebundene Ausgabe)